Im Rahmen der Stadterneuerung beschäftigt sich Stefan Lettner mit der Entwicklung der Amstettner Innenstadt. Der Experte für Stadt- und Regionalentwicklung von der CIMA Beratung + Management GmbH mit Sitz im oberösterreichischen Ried im Innkreis hat mit uns unter anderem über den aktuellen Zustand und das Potenzial unseres Stadtzentrums gesprochen.
Die meisten unserer LeserInnen werden dich noch nicht kennen. Bitte stell‘ dich kurz vor: wer ist Stefan Lettner und was ist die CIMA?
Stefan Lettner und CIMA – eine eher ungewöhnliche Geschichte. Begonnen hat alles bereits während meines Betriebswirtschaftsstudiums an der Kepler-Uni in Linz. Über die gemeinsame Diplomarbeit mit meinem Studienkollegen Roland Murauer entstand 1991 der Kontakt zur CIMA München, die gerade in unserer Heimatstadt Ried im Innkreis das erste Stadtmarketing in Österreich aufbaute. Kurze Zeit später erhielten wir die Chance, die CIMA Österreich als eigenständige GmbH aufzubauen, und das mit 26 Jahren. Heute, fast dreißig Jahre später und mittlerweile in den Anfangs-Fünfzigern gelandet, steht die CIMA Österreich als renommiertes Beratungsunternehmen in den Bereichen Orts-, Stadt- und Regionalentwicklung sowie Konsum- und Handelsforschung mit 12 MitarbeiterInnen da.
Die Liste eurer Referenzprojekte ist definitiv sehr beeindruckend, immerhin reicht sie quer durch ganz Österreich und darüber hinaus! Gibt es vielleicht ein Projekt, welches dir besonders positiv in Erinnerung geblieben ist?
Da gibt es viele, ich möchte da keines speziell herausheben. In guter Erinnerung bleiben vor allem jene Projekte, bei denen eine positive und vor allem umsetzungsorientierte Gesinnung der handelnden Personen spürbar ist. Es ist einfach schön zu sehen, wenn an einem Strang gezogen wird. Natürlich spielt auch das „Drumherum“ eine Rolle. Meine zahlreichen Projekte in Südtirol habe ich immer sehr genossen…
Innenstädte stehen vor großen Herausforderungen und Veränderungsprozessen – nicht nur in Amstetten. Was braucht eine Innenstadt, um auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben?
Seit der Firmengründung vertritt und lebt die CIMA das Thema Innenstadt äußerst konsequent, mit einem sehr philosophisch geprägten Ansatz. Innenstadt ist für uns mehr als nur ein Wirtschafts- oder Wohnstandort, Innenstadt ist komplex, ursprünglich und hat Geschichte. Innenstadt ist ein Stück mitteleuropäische Lebenskultur, welche leider durch eine verfehlte Raumordnungspolitik und ein stark verändertes Konsumverhalten deutlich ins
Wanken gerät. Schon seit Jahren befinden sich Innenstädte in einem umfassenden Transformationsprozess. Gefragt sind neuartige Angebotsformen, sowohl im Einzelhandels-, Dienstleistungs- und Gastronomiebereich. Nachhaltigkeit, Regionalität und Persönlichkeit schaffen einen Gegenpol zum anonymen Online-Handel und stellen ein wachsendes Bedürfnis dar. Natürlich spielen auch Aspekte wie Erreichbarkeit, Aufenthaltsqualität und Wohnen eine tragende Rolle für eine funktionierende Innenstadt der Zukunft.
Du kennst unsere Stadt aus früheren Projekten sehr gut. Wenn du heute durch die Innenstadt gehst, wie würdest du dann die Entwicklung der letzten Jahre beschreiben?
Im Vergleich zu meiner letzten ausführlichen Analyse im Rahmen der KANO 2013 (Anm.: Kaufkraftstrom- und Einzelhandelsstrukturuntersuchung Niederösterreich) hat sich nicht allzu viel verändert. Die Innenstadtgestaltung ist annähernd gleichgeblieben, der Frequenzaustausch zwischen CCA und Innenstadt ist nach wie vor eher bescheiden und beim Branchemix gibt es Licht und Schatten. Während sich einige Filialisten aus der Innenstadt verabschiedeten, sind der Spar-Neubau sowie die Ansiedlung einiger spezialisierter Nischenbetriebe durchaus positiv zu beurteilen.
Im Rahmen deiner Erhebungen hast du mit zahlreichen Akteuren Gespräche geführt. Welche Themen sind die Dauerbrenner in der Amstettner Innenstadt?
Wie in fast jeder Stadt natürlich der Themenkomplex Verkehr-Erreichbarkeit-Aufenthaltsqualität, aber auch die Frage, wie die hohen Kundenfrequenzen im CCA besser in die Innenstadt gelenkt werden können.
Wenden wir uns den positiven Aspekten zu: wo siehst du das größte Entwicklungspotenzial für unsere Innenstadt?
Amstetten hat eigentlich sehr gute Grundvoraussetzungen für eine starke Innenstadt: Einwohnerzahl, Verkehrsanbindung, Einzugsgebiet und die nächsten Ballungsräume relativ weit entfernt. Bis dato schlägt sich die Amstettner Innenstadt aus meiner Sicht eher unter Wert. Potenzial sehe ich in erster Linie in einer stärkeren Symbiose von CCA und Innenstadt, einer damit verbundenen qualitätsvollen Angebotsentwicklung, einer nachhaltigen Imagekorrektur und einer möglichen Uni- bzw. FH-Ansiedlung, um mehr junge Menschen in die Stadt zu bekommen.
Ein gemeinsames Ziel ist es, mehr Frequenz in die Innenstadt zu bekommen. Welche Angebote sind erstrebenswert, um mehr Menschen in unser Zentrum zu locken?
Im Vergleich zu Einkaufszentren bieten Städte eine deutlich größere Multifunktionalität. Die Kombination verschiedener Erledigungen – Einkauf, Gastro, Arzt, Behörden, usw. – ist eine zentrale Stärke, die es auszubauen gilt. Im Branchenmix wird es künftig eine gute Mischung zwischen Anker- und Nischenbetrieben brauchen und die Bedeutung einer diversifizierten, qualitätsvollen bzw. „szenigen“ Gastronomie wird zunehmen. Eine der wichtigsten Maßnahmen zur Steigerung der innerstädtischen Frequenz liegt in der Schaffung von neuem Wohnraum. „Innen- vor Außenentwicklung“ darf nicht nur eine Zielformulierung auf dem Papier bleiben. Natürlich spielen in diesem Zusammenhang auch die Gestaltung und Bespielung der Innenstadt eine bedeutende Rolle.
Du hast es ja bereits selbst erwähnt: das Thema Verkehr ist auch in Amstetten ein Dauerbrenner. Wie sieht deine Expertenmeinung zum Thema Verkehrsberuhigung aus?
Verkehrsberuhigung ist generell ein sehr emotionales, häufig polarisierendes Thema, welches aus meiner Sicht stärker auf einer fachlichen Ebene diskutiert werden sollte. Klar, wer wünschst sich nicht eine autofreie Innenstadt, voller Geschäfte, Cafés und Menschen, ohne Leerstände, Verkehr und stinkenden Autos? Wunsch und Wirklichkeit klaffen hier jedoch meist auseinander. Es gibt nämlich klare Kriterien und Faktoren, über welche der optimale Grad einer Verkehrsberuhigung bestimmbar ist. Beispielsweise spielen die Relationen Platzgröße in Bezug zur Passantenfrequenz, Anzahl und Nähe der Parkplätze, Dichte und Qualität des Branchenmixes, Einwohnerzahl und touristische Besucher sowie die Abhängigkeit von Kaufkraft aus dem Umland eine entscheidende Rolle in der Bewertung. Für jede Innenstadt ist daher folgende Frage individuell zu beantworten: „Wie viel Verkehrsberuhigung verträgt die Stadt?“
Am 17. Juni wirst du einen Maßnahmenkatalog präsentieren. Was genau dürfen wir uns davon erwarten?
Nach Abschluss der Grundlagenanalyse und der Partizipationsphase wird zunächst ein „Zukunftsprofil“, welches die maßgeblichen Entwicklungsziele und Strategien für die Innenstadt beinhaltet, verfasst und in das Stadtentwicklungsprogramm integriert. Darauf abgestimmt werden Maßnahmen und Projekte entwickelt. Mir ist dabei wichtig, umsetzungsfähige Maßnahmen auszuarbeiten und keine „Wünsche ans Christkind“ abzugeben.
Wagen wir zum Schluss noch einen Blick in die Zukunft: Wie wird sich unsere Innenstadt in zehn Jahren verändert haben?
Ich sehe folgendes Bild: Viele flanierende Menschen, davon sogar etliche StudentInnen. Interessante, „nischige“ Geschäfte, Restaurants und Cafés, kaum Leerstände. Man hält sich in der Innenstadt gerne auf und verspürt eine angenehme Atmosphäre. Es ist „in“ nach Amstetten zu fahren!
Über den Autor:
Georg Trimmel
Geschäftsführer Stadtmarketing Amstetten
Neben seiner Begeisterung für Sport hat Georg noch viele andere Leidenschaften: Spielesessions mit seiner Tochter Laura, Besprechungen abhalten und auch wertvolle Inputs zur richtigen Mülltrennung geben (die stammen vom erfolgreich absolvierten Praktikum bei der Müllabfuhr).
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